Interpretationen
Der Roman von Erich Maria Remarque ist 1962 zum ersten mal erschienen. Es handelt um einen Flüchtling, dessen Ziel es ist, nach Amerika zu fliehen, um der Situation in Europa im Jahre 1942 auszuweichen. Tickets für eine Fahrt bekommt er zufällig von einem Fremden, namens Josef Schwarz, geschenkt. Allerdings erwartet Josef im Gegenzug von ihm, dass er die ganze Nacht bei ihm bleibt. Während dieser Nacht erzählt Josef seine Geschichte der Flucht. Mit dem Ziel, dass somit seine Geschichte erhalten bleibt. Es ist eine Geschichte, in der Josef, mit seiner kranken Freundin Helen, Freiheit und Glück sucht. Er begibt sich auf eine lange Reise um seine Frau Helen in Deutschland zu besuchen. Dort angekommen beschließen die Beiden, gemeinsam zu fliehen. Sie fliehen durch die Schweiz, Frankreich und Spanien, bis sie schlussendlich in Portugal ankommen. Diese Reise erweist sich als sehr schwer und oft haben Helen und Josef viel Glück. Dabei machen Ihnen vor allem die Gestapo und auch die strengen Zollbeamten zu schaffen. Georg, der Bruder von Helen, verfolgt das Ziel Josef erneut in ein Konzentrationslager zu stecken. In Portugal, wollte Josef gemeinsam mit Helen per Schiff nach Amerika fahren und somit Freiheit erlangen. Alles war von ihm schon organisiert, als sich Helen das Leben nahm. Unklar ist, warum sie das genau tat, da sie auch keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat. Nach diesem Schicksalsschlag ist Josef dazu bereit, einem anderen den Traum von Amerika zu erfüllen und verschenkt daher seinen Pass, der ursprünglich einem anderen gehörte, sein Visum und seine Schiffskarten. Im Gegenzug erhält er den Pass des Ich-Erzählers. Josef bleibt in Europa und der Ich-Erzähler zieht mit seiner Frau Ruth nach Amerika. Ab diesem Zeitpunkt haben sich Josef und der Ich-Erzähler nie wieder getroffen.
These: Helen hat Josef keinen Abschiedsbrief geschrieben, weil sie Josef nicht richtig geliebt hat.
Zu Beginn möchte ich etwas allgemein die Situation zwischen Helen und Josef aufzeigen. Die Beiden wurden von Helens Bruder getrennt, indem er Josef in ein Konzentrationslager schickte. Er konnte allerdings fliehen und war in Sicherheit. Dies genügte Josef jedoch nicht. Er suchte Helen in Osnabrück auf. Darüber gesprochen, was in den vergangenen Jahren geschehen ist, haben sie nicht. Sie beschliesst Deutschland mit ihm zu verlassen. Dabei trennen sich ihre Wege zum zweiten Mal, da sie legal in die Schweiz reist und Josef versucht, illegal in die Schweiz zu gelangen. Sie führten eine glückliche Beziehung. Helen verschwieg Josef allerdings ihre Krankheit. Als Josef erfahren hat, dass seine Frau an Krebs erkrankt ist und nicht mehr lange leben wird, ist er selbstverständlich sehr frustriert. Trotzdem sprechen sie gemeinsam nie über ihre Krankheit, da Helen dies nicht möchte. Sie beging, einen Tag bevor sie gemeinsam mit Josef nach Amerika ausgewandert wäre, Suizid. Ohne einen Abschiedsbrief oder letzte Worte zu Josef beendete sie somit ihr Leben.
Nachdem sich Helen und Josef nach vier Jahren wieder sahen, bemerkte Josef eine Veränderung von Helen (S.96 Zeile 11). Die Beiden haben sich verändert und es ist zunächst nicht ganz klar, ob noch dieselben Gefühle vorhanden sind wie vor 4 Jahren. Im Verlauf der Geschichte kann man vor allem die Veränderung der Gefühle von Josef beobachten. Beispielsweise auf Seite 117 Zeile 8 erkennt er, dass sie ihm durchaus sehr wichtig ist. Bei ihr ist zunächst nicht sicher, ob sie etwas für Josef empfindet. Die Tatsache, dass sie aber bereit dazu ist, ihr Leben in Deutschland aufzugeben (S.116) und mit Josef zu flüchten macht den Eindruck, dass er ihr sicher nicht unwichtig ist. Diese Annahme wird aber von ihr selber auf Seite 153 Zeile 24 widerlegt, indem sie sagt, dass der Entschluss, nicht mehr nach Deutschland zurückzugehen, nichts mit Josef zu tun hat. Auf Seite 162 drückt sich Helen sehr deutlich aus und verlangt von Josef, sie zu lieben. Diese Aussage ist ein wenig leistungsbezogen und macht den Eindruck, dass sie eher das Gefühl der Liebe sucht und eher weniger Josef selbst liebt. Auch diese Annahme wird von Helen widerlegt und zwar auf Seite 213 Zeile 11, als sie ihm seine Liebe gesteht. Die Bedingungen unter denen sie es ihm allerdings gestand, waren ein wenig emotional und es ist nicht ganz klar, ob sie ihn auch tatsächlich liebt. Nach diesem Geständnis blühte ihre Beziehung aber wieder auf. Beispielsweise als sie eine Nacht im Schloss verbrachten. Deshalb ist es eher überraschend, als sich herausstellte, dass Helen ihre Krankheit vor Josef verschwiegen hat. Man fragt sich wie Helen Josef die ganze Zeit anlügen konnte und ob eventuell auch ihr Liebesgeständnis nur eine Lüge war. Das Schweigen der Beiden über die Krankheit veränderte die Beziehung der Beiden und sie wurden sich gewissermaßen fremd (S.305 Zeile 6). Auch die mysteriösen Briefe in Helens Nachttischschublade lassen grossen Interpretationsspielraum. Sie könnten beispielsweise von einem geheimen Verehrer stammen, mit dem sie,während den 4 Jahren in denen Josef weg war, eine Affäre hätte haben können. Unterstützt wird dieser Gedanke durch die Tatsache, dass sie praktisch gar nicht über diese Zeit sprachen. Falls diese Annahme stimmen würde, wäre die These leicht zu beantworten und zwar, dass Helen Josef nicht richtig geliebt hat. Der Selbstmord von Helen ist einerseits verständlich, da sie sehr unter ihrer Krankheit gelitten hat, andererseits war der Zeitpunkt sehr schlecht gewählt. Und man fragt sich als Leser: warum sie Josef, kurz bevor den Beiden die Türen zur Freiheit offen standen, alleine gelassen hat. Mit Liebe hat dies nicht viel zu tun. Zudem kommt, dass sie ihm nicht einmal einen Abschiedsbrief verfasst hat. Warum sie das nicht tat ist unklar. Es könnte sein, dass sie somit mehr gesagt hat, als sie es mit Worten hätte tun können (S.319 Zeile 10). Ansonsten ist nicht klar warum sie nichts geschrieben hat. Man könnte aber vermuten, dass sie nicht wirklich für ihn empfunden hat.
Zusammenfassend kann man die These einigermassen widerlegen, da sie ihm seine Liebe gestanden hat. Es ist aber trotzdem sehr gut möglich, dass sie nichts geschrieben hat, weil sie ihn nicht richtig geliebt hat. Andere Gründe für ein schweigen sind nur schwer zu erahnen.
Hypothese: Was symbolisiert der Zusammenstoß zwischen einem Mitglied der deutschen und einem Mitglied der englischen Partei beim tanzen?
Die Nacht von Lissabon ist eine Geschichte, die stark vom Zweiten Weltkrieg beeinflusst wurde und auch zu dieser Zeit spielt. Remarque hatte selbst schlechte Erfahrungen mit dem Krieg gemacht und bringt dies in diesem, aber auch in anderen Werken zum Ausdruck. Außerdem ist wichtig zu wissen, dass Remarque selbst ein Anfechter der nationalsozialistischen Ideologie war. Die Handlung ist stark vom Krieg geprägt. Immer wieder werden Anspielungen gemacht, welche wir gut mit dem zeithistorischen Kontext in Verbindung bringen kann. Ein gutes Beispiel für eine solche Anspielung ist der englische und der deutsche Diplomat auf der Tanzfläche (S. 132 Zeile 20 - 29). Sie tanzten Foxtrott, einen Tanzstil, der nach dem Ersten Weltkrieg nach Europa kam. Der deutsche Diplomat wird als schlechterer Tänzer dargestellt, der mehr Raum benötigte und mit einer verbissenen Aggressivität tanzte. Seine Tänzerin schob er dabei vor sich her, wie eine Kanone. Josef vergleicht die Situation mit einem Schachspiel. Dabei sieht er den deutschen und den englischen Diplomaten, jeweils als König. Der englische König wich dem deutschen König immer wieder aus, auch wenn sie sich oft bedrohlich nahe kamen. Es kam aber trotzdem dazu, dass ein Mitglied der deutschen Partei mit einem Mitglied der englischen Partei beim Tanzen zusammen prallte (S.143 Zeile 1 - 20). Nach dem Zusammenprall beschuldigte jeder den anderen der Absicht. Zwei Kellner die vom Ich-Erzähler als Völkerbund benannt wurden, versuchten die Situation zu begütigen, wurden allerdings nicht erhört. Das Orchester wechselte den Rhythmus und spielte nun einen Tango. Den Diplomaten blieb nichts anderes übrig als weiter zu tanzen, um einer Lächerlichkeit zu entgehen. Der Deutsche schien keinen Tango zu kennen und der englische Kontrahent deutete dem Deutschen, auf der Stelle tanzend, den Rhythmus an. Dies endete allerdings, als Helen und Josef von anderen Paaren angestoßen wurden. Josef und Helen gingen danach mit wütenden Blicken von der Tanzfläche.
Wir denken, dass der Zusammenstoß der beiden Parteien den Konflikt zwischen England und Deutschland während des zweiten Weltkrieges symbolisieren sollte. Unterstützend für diese Deutung wirken vor allem die Eigenschaften der beiden Diplomaten, die man leicht mit denen von Deutschland und England in Verbindung bringen kann. Deutschland kann man mit dem deutschen Diplomaten vergleichen. Der deutsche Diplomat benötigte viel Raum beim tanzen und tanzte mit einer gewissen Aggressivität. Deutschland strebte am Anfang des Zweiten Weltkrieges ebenfalls nach zusätzlichem Land. Es wollte also zusätzlichen Raum in Anspruch nehmen. Die Vorgehensweise Deutschlands um neue Territorien in Anspruch zu nehmen, kann durchaus als aggressiv bezeichnet werden. Der deutsche Tänzer wird als schlechter bezeichnet, vermutlich einerseits, weil Remarque eher gegen das deutsche Herrschaftssystem war und andererseits, weil England damals von Deutschland angegriffen wurde, sich selbst aber überschätzte und daher auch grössere Verluste aus dem Luftwaffenangriff zog. Der Vergleich von Josef mit einem Schachspiel ist auch sehr interessant, da ein Schachspiel zu Ende wäre, falls ein König den anderen König erwischen würde. Dies geschah auch, bei der Kollision des deutschen und des englischen Diplomaten. Wir vermuten, dass das Schachspiel die Luftschlacht um England symbolisiert und durch die Kollision des englischen und des deutschen Diplomaten (= durch das Ende der Luftschlacht) löste sich nicht direkt die Spannung zwischen den Beiden. Die Diplomaten verließen daraufhin nur die Tanzfläche. Genauso wie Deutschland und England sich nach dem Ende der Luftschlacht auch nicht mehr duellierten.
Der Zusammenstoß des deutschen und des englischen Diplomaten symbolisiert also für uns das Ende der Luftschlacht zwischen England und Deutschland im Zweiten Weltkrieg.